Marienverehrung im Alltag

Begrüßen und begrüßt werden


Die Ankunft Jesu Christi in diese Welt hat mit einem Gruß begonnen. Der Gruß des Engels Gabriel an die Jungfrau Maria eröffnete einen Dialog zwischen zwei Personen und gleichzeitig erweckte er die Kommunikation zwischen zwei Welten, nämlich der Welt der unerfüllten Erwartungen und der Welt der zu erfüllenden Verheißungen. Gabriel fast die Stimmen unzähliger Generationen zusammen und macht Maria ein Angebot für eine erfüllte Zukunft der Menschheit, die ihre Sehnsucht nach Heil und nach dem verlorenen Paradies in sich nährt. Der Gruß, mit dem Maria angesprochen wird, ist bereits eine Botschaft in sich: Sei gegrüßt, du Begnadete! (Lk 1,28). Diese Begrüßung bewegt in Maria alles, was sie bis jetzt gehört, gelernt, erhofft hat. All dies wird in ihr jetzt richtig wach und aktiv. Für Maria wird es schwierig diesem Gruß des Engels einen Widerstand zu halten, denn dieser Gruß hat sie ins Herz getroffen. Und wenn das Herz einmal getroffen ist, dann sehnt es sich nach der Erfüllung dessen, was in ihm durch die Grußworte wachgerüttelt wurde. Wir kennen es aus unserer eigenen Erfahrung. Obwohl wir schon tausendmal von vielen Menschen gegrüßt wurden, bleiben wir plötzlich an den Grußworten einer bestimmten Person haften. Diese Worte lassen uns nie mehr los. Sie bohren sich in uns ein und lassen uns nicht in Ruhe. Wir versuchen vielleicht solche Worte zu verdrängen, aber sie kommen immer wieder. Warum? Vielleicht deshalb, weil sie in uns etwas Wesentliches berührt haben, weil sie Übereinstimmung mit unseren verborgenen Sehnsüchten und Wünschen deutlich machen, weil sie uns aus dem Zustand einer bestimmten Untätigkeit zur konkreten Handlung anregen möchten.

Genau das spürt auch Maria: Jetzt ist die Zeit gekommen konkrete Taten zu setzen. Sie wird Mutter und die Geschichte der Menschheit wird neu geschrieben. Die Evangelien berichten auch von einem anderen Grußereignis: "Maria ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ" (Lk 1,40-45). Bei dieser Begegnung sind es die Grußworte Mariens, die etwas bewegen. Es wird hier zwar nicht gesagt mit welchen Worten Maria ihre Verwandte Elisabet begrüßt hat, aber die deren Auswirkung auf Elisabet ist überwältigend. Nicht nur ihr Herz hüpft vor Freude, sondern auch das in ihrem Schoss heranwachsende Kind. Und das ist nicht alles; Elisabet wird vom Heiligen Geist erfüllt und wird zu einer Prophetin, die den Plan Gottes mit Maria erkennt und ihm Respekt zollt. Vielleicht ist es erst diese Rückmeldung Elisabets, die Maria verstehen lässt, was ihr "Ja" zum Gottes Plan der Welt wirklich bedeutet. Wir erinnern uns, wie Maria dann im Magnificat (Lk 1,46-55) voll Freude ihr Herz öffnet und die großen Taten Gottes besingt.

Diese zwei Bespiele aus dem Leben Mariens über die Auswirkung eines Grußes verdienen unsere Aufmerksamkeit und nähere Betrachtung, die wir Tag für Tag üben können, indem wir uns z.B. fragen: Welche Kultur des Grüßens pflege ich im Umgang mit den anderen? Achte ich auf die Wortwahl, wenn ich jemandem grüßend begegne? Was möchte ich mit meinem Gruß bezwecken oder im anderen bewirken? Und wenn ich begrüßt werde, kann ich mir z.B. folgende Fragen stellen: Habe ich die an mich gerichteten Grußworte akustisch richtig erfasst und verstanden? Wie haben sich die Grußworte auf mich ausgewirkt? Haben die Grußworte in mir etwas "bewegt"? Im weiteren Schritt können wir darauf achten, ob unsere Begegnungen mit den anderen nur aus formalem Gruß bestehen oder sich durch den Gruß hinaus in ein Gespräch verwandeln. Der Gruß ist ein universelles Instrument, mit dem wir üblicherweise leicht selbst mit unbekannten Menschen in Kontakt treten und die Bildung von Vertrauensbasis mit ihnen beginnen können. Es soll nicht verheimlicht werden, dass dieses aus dem ersten Gruß aufgebaute Vertrauen auch missbraucht werden kann. Jenen jedoch, die sich als Verehrer Mariens verstehen, soll die Grußkultur zur gegenseitigen Stärkung, Ermutigung und zum besseren Miteinander dienen.

fr. Fero M. Bachorík OSM